Freitag, 25. Juli 2008

3. Die Artbestimmung von Eumenes wagnerianus 


Einleitend zur folgenden Beschreibung des Tonnestes von Eumenes wagnerianus soll hier darauf hingewiesen werden, daß es sich bei dem Bauwerk der Wespe um ein Kunstwerk der Natur handelt, das vom Menschen nicht von seinem Konstruktionsort entfernt werden sollte. Die hier vorgenommene Darstellung zu wissenschaftlichen Lehrzwecken sollte keinen Anlaß für die weitere Entnahme von Nestern in den Lebensräumen der Tiere bieten. Weitere vergleichende Untersuchungen des Nestbaues von E. wagnerianus und E. dyscherus beispielsweise zur Verbreitungsarealbestimmung oder zur Artabgrenzung lassen keinen wissenschaftlich so bedeutsamen Erkenntniszuwachs erwarten, daß sie die Entnahme von Nestern der selteneren Art E. wagnerianus und die damit verbundene Gefährdung des Artenbestandes rechtfertigen würden. 


Im Rahmen dieser zweiten, überarbeiteten Publikation wird nun das gesamte fotographische Material der im März 2002 vorgenommenen Dokumentation des Nestbaues von E. wagnerianus abgebildet und die im Teil 1 der Publikationsreihe "Die tonbauenden Insekten Kolumbiens" abgedruckten Abbildungen so vergrößert wiedergegeben, daß diese als wissenschaftliches Anschauungs- und Vergleichsmaterial ausreichend sind. Schon aus diesem Vergleich wird dann ersichtlich, daß die Wespe am Fundort der Nester Umweltfaktoren ausgesetzt ist, die die Entwicklung ihrer Brut beeinträchtigen, wie die Zahl der durch äußere Einflüße wie Prädatoren oder Witterung beschädigten und durch Brutplatzparasitierung von anderen Hymenopterenarten "überbauten" Nestanlagen zeigt. 


Von den 2 vom Felsuntergrund abgelösten Nestern waren die Brutkammern eines Nestes vollständig leer oder anderweitig parasitiert, ohne daß ein Schlupf der Brut von E. wagnerianus stattgefunden haben könnte. Auch aus dem zweiten Nest verließen nur 3 zum Zeitpunkt der Nestuntersuchung bereits fertig entwickelte Wespen ihre Brutkammern, während sich aus den übrigen 3 Tonzellen dieses Nestes keine Tiere bis zur vollen Reife entwickelten. Die Nester der Wespe wurden im März 2002 während einer Exkursion in der Umgebung der Stadt Medellin im kolumbianischen Departement Antioquia gefunden, wobei hier aus Schutzgründen eine genaue Fundortangabe unterbleibt. Der Fundort liegt in einem Seitental des vom Río Medellin durchflossenen Valle del Aburra auf etwa 1.600 Metern Höhe über dem Meeresspiegel. Zwei Neststandorte wurden entlang eines unbefestigten Fußweges entdeckt. Der erste, ein leicht nach Norden geneigter Felsen an einem mit Büschen und Bäumen bewachsenen Steilhang, war dicht mit Nestbauwerken mehrerer tonbauender Wespenarten unterschiedlichster Entwicklungsstufen belegt, d.h. teilweise noch nicht fertiggestellte Nester lagen neben bereits vor längerer Zeit von der fertigentwickelten Brut verlassenen Bauten. Am zweiten Nestbauplatz, einem einzelnen, freiliegenden Felsblock auf einer Wiese, war nur ein Nest von Eumenes wagnerianus angebracht. In unmittelbarer Nachbarschaft nistete eine weitere, hier unbestimmte Töpferwespenart sowie eine soziale Wespenart, die ein nicht umhülltes Nest bestehend aus einer freien Brutwabe an dem Felsblock bewachte. Kurz nach der Ablösung der Tonkonstruktion von diesem Felsblock schlüpfte bereits das erste Tier aus der obersten Tonkammer und wanderte bis zu seinem ersten Abflug über das Nest, wie in der folgenden Bildsequenz dargestellt:






Durch Nest, Fundort und Aussehen (Habitus) ist das hier dokumentierte Insekt eindeutig der Hymenopteren-Familie der Eumenidae und darin der Gattung Eumenes (Brachymenes) zuzuordnen. Die abgebildete Körperfärbung unterliegt aufgrund des verwendeten Filmmateriales bzw. des Entwicklungsprozesses allerding einer leichten Farbverfälschung durch Intensivierung des Blautones, der in der Natur und bei Sonnenbestrahlung nur als schillernder blauvioletter Metallglanz des sonst dunklen Insektenkörpers wirkt, und durch die Verstärkung des Eindruckes des "Goldstaubüberzuges" auf dem Thorax, der in der Natur und am lebenden Tier auch nur aus bestimmten Betrachtungswinkeln im Verhältnis zur Lichteinstrahlung erkennbar ist. 


Die Abgrenzung zur Schwesterart E. dyscherus ist insbesondere anhand des letzten Bildes der Sequenz möglich, das deutlich die bereits im vorangegangenen Kapitel abgebildete Form des ersten, verlängerten Abdominalsegmentes wiedergibt, und das dem von Giordano Soika beschriebenen und von D´Este gezeichneten Beispiel für E. wagnerianus entspricht. Auch das zweite Unterscheidungsmerkmal, die am Kopf im Bereich der Ocellen regelmäßig punktierte Stirn, ist trotz der geringen Bildauflösung der Fotografie (RICOH KRx10 Spiegelreflex und Soligor 28-200 Teleobjektiv auf Kodak Gold 100/36 Farbnegativfilm, gescannt mit Konica Minolta Dual Scan, digitale Ausschnittsvergrößerung mit Adobe Photoshop 6.0) auf der letzten Abbildung der Sequenz noch erahnbar. 


Anhand der beiden später geschlüpften und aufbewahrten Wespen wurde ein phänologischer Vergleich mit Sammlungsmaterial der "Colección Francisco Luis Gallego" des Departamento de Biología der Universidad Nacional de Colombia – Sede Medellin und der Entomologischen Sammlung des Departamento de Ciencias Naturales der Universidad Nacional de Colombia in Bogotá D.E. durchgeführt. Die Hymenopterensammlung verfügte im Frühjahr 2002 über etikettierte Vergleichsexemplare der Art "Brachymenes wagnerianus", das bei betrachtendem Vergleich mit den aus dem Nest geborgenen Wespen unverwechselbare Ähnlichkeit aufwies. Bestimmungsliteratur war in Medellin nicht vorhanden, Vergleichsexemplare von E. dyscherus fehlten an beiden Sammlungsorten, so daß die Unterscheidungsmerkmale zu E. dyscherus damals nicht verglichen werden konnten. Die Etikettdaten der Tiere waren: Risaralda: Mistrato. Corregimiento San Antonio del Chami, April 1992; gesammelt von F. Fernandez, bestimmt durch J.M. Carpenter.



Belegexemplare von E. wagnerianus in der Collección Entomológica der Universidad Nacional de Colombia, Departamento de Ciencias Naturales / Zoología, Bogotá, Carrera 30 # Avenida El Dorado.



Eine erneute, im Juni 2002 mit dem Bestimmungsschlüssel aus dem Werk Vespidos de Colombia von Carlos Sarmiento Monroy aber ohne Vergleichsmaterial durchgeführte Nachbestimmung brachte den Autor wiederum zu dem Ergebnis, daß es sich bei der gefundenen Wespe um E. wagnerianus handelt. Doch kann anhand der Unterschiedsbeschreibung der Unterscheidungsmerkmale im Bestimmungsschlüssel von Sarmiento Monroy (1997) ohne abbildende Detailzeichnungen zum Merkmalsvergleich kaum eine sichere Abgrenzung zwischen den beiden Schwesterarten gefunden werden. 


Diese Unterscheidungsmerkmale sind nur im Artikel zur Revision der Eumenidae von Giordano Soika abgebildet, der in Kolumbien im Jahre 2002 nicht zu konsultieren war. Doch läßt die zu Grunde Legung der Verbreitungsangaben in der Literatur die Schlußfolgerung zu, daß E. dyscherus in Kolumbien gar nicht vorkommt. Die einzige Fundortangabe für diese Art in Kolumbien ist "Boyaca: Muzo", was gleichzeitig mit einem der Fundorte von E. wagnerianus identisch ist, so daß hier möglicherweise eine Verwechslung vorliegt. Somit besteht kein Zweifel, daß es sich bei der nestbauenden Wespe um ein Exemplar der Art E. wagnerianus gehandelt haben muß, zumal aus den drei erstangelegten Brutkammern des Nestes ausgewachsene Wespen dieser Art schlüpften bzw. darin gefunden wurden. 



Introduction and Overview 
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